In einer rezenten Entscheidung hat das Landesgericht Wr. Neustadt festgestellt, dass im stillschweigenden Übergehen und Nichterledigen eines Beweisantrages des Privatbeteiligten durch die Staatanwaltschaft eine subjektive Rechtsverletzung vorliegen kann. Damit wurde die Rechtsprechung des OLG Wien (18 Bs 146/18d), welche sich auf Beweisanträge des Beschuldigten beschränkt hat, auch auf den Privatbeteiligten ausgedehnt.

Im konkreten Fall ging es um einen Beweisantrag auf Einholung eines unfallchirurgischen Sachverständigengutachtens zum Beweis der Verletzungsursache, zur Schwere der Verletzungen, den Verletzungsfolgen und den Schmerzperioden, sowie zum weiteren Beweis der Unglaubwürdigkeit der Aussagen der Beschuldigten, welche Tätlichkeiten bestritten, obwohl Verletzungen des Opfers dokumentiert gewesen sind.

Nach dem Urteil des OLG Wien (18 Bs 146/18d) habe die Staatsanwaltschaft Beweisanträge des Beschuldigten im Ermittlungsverfahren innerhalb angemessener Frist und ohne schuldhafte Verzögerung zu prüfen und über diese zu entscheiden. Der Staatsanwaltschaft komme kein Ermessen darüber zu, ob sie einen Beweisantrag zur Kenntnis nehme oder nicht. Sie habe zwingend entweder dem Antrag stattzugeben oder den Beschuldigten zu informieren, warum seinem Antrag nicht entsprochen werde. Das stillschweigende Übergehen und Nichterledigen von Beweisanträgen sei einer faktischen Abweisung gleichzuhalten, gegen die dem Beschuldigten die Erhebung eines Einspruches wegen Rechtsverletzung offenstehe.

Auch dem Privatbeteiligten steht ein Beweisantragsrecht zu (§ 67 Abs 6 Z 1 iVm § 55 StPO). Nach der Rechtsansicht des Landesgericht Wr. Neustadt war der Beweisantrag geeignet, entscheidungserhebliche Umstände (Schuldfrage) unter Beweis zu stellen und war erkennbar auf die Geltendmachung von privatrechtlichen Ansprüchen gerichtet. Die Abweisung im Sinne einer Nichterledigung des Beweisantrages, welcher jedoch abstrakt dazu geeignet gewesen sei, die Beweisfrage zu klären, stelle eine subjektive Rechtsverletzung des Privatbeteiligten dar.

Diese klarstellende Anwendung bzw Fortentwicklung der Rechtsprechung des OLG Wien durch das Landesgericht Wr. Neustadt auf den Privatbeteiligten stellt eine zu befürwortende Stärkung der Opferrechte im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren dar.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.

Aktualisierung 01.06.2020: Die Entscheidung ist rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft hat nunmehr das Ermittlungsverfahren fortgesetzt und einen medizinischen Sachverständigen mit der Beurteilung von Art, Schwere und Dauer der Verletzungen sowie mit der Beurteilung der Schmerzperioden beauftragt.